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Emotionale Katastrophe? Relativ!

In meinem Unterbewusstsein nahm ich die Worte wohl wahr. „Mach mal Pappa wach“. „Pupsi, aufstehen“! Was? Wieso? Der Traum ist aus! Irgendwas mit Segelboot und Freiheit. Ich überlege; es ist Samstag. Wieso nur werfen mich meine Mädels nur aus dem Bett und dann noch so früh. Ich blicke mit verschlafenen Augen auf die Bilder an der Wand unseres Schlafzimmers. Auf einem Bild ein kleines Mädchen, ca. 6 Jahre alt mit Schultüte. Ein Klassiker, der wohl in keinem Familienhaushalt fehlen darf.

Es dämmert mir schlagartig, heute ist Tag X. Es ist der Tag der Zeugnisausgabe. Das Ende der Schulzeit meiner Tochter, die nun erfolgreich ihr Abitur bestanden hat. Noch mal der Blick auf das Foto verbunden mit der Feststellung, dass 13 Jahre ein Hauch sind und verdammt schnell vorbei gehen. Ich bekomme so ein komisches Gefühl in der Magengegend und irgendwie habe ich sehr feuchte Augen. Ich werde doch keinen Schnupfen bekommen? Auf dem Weg ins Bad komme ich auch noch an ein einem gemalten Bild meiner Tochter als Baby vorbei. Komisch, ich habe das Bedürfnis mir ein Taschentuch zu besorgen und der Hunger den ich eben noch verspürte ist gänzlich verschwunden. Ich fühle mich, als würde ich wie durch ein Watte-Nebelmeer wandeln. Doch plötzlich, brandet die Hektik über mich herein. Die Zeit drängt. Alle wollen ins Bad und in einer halben Stunde müssen wir los. Wir wollen ja pünktlich sein. Keine Zeit mehr zu grübeln. Zeit ist relativ, relativ kurz.

Wir sind angekommen  und die Aula der Kant Schule ist knüppeldicke voll. Es ist heiß, sehr heiß. Die nächsten drei Stunden ist schwitzen angesagt. Gut das ich die Rolle des Familienfotografen übernehmen darf und mich daher in eine günstige Position bringen kann. Direkt an der Tür, es weht ein leichtes Lüftchen. Es folgt eine wirklich großartige Veranstaltung. Es gibt auch Musik. Auf dem Klavier spielt ein Schüler „Mad World“ in der Version aus dem Film Donnie Drako. Sehr bewegend, jetzt habe ich schon wieder feuchte Augen und einen Kloß im Hals. Es folgen Reden der Schulleiterin Frau Müller und aller Tutoren. Die Reden sind alle einzigartig. Humorvoll, bewegend, nachdenklich großartig und überhaupt nicht langweilig. Das Highlight aber, und das ich diesen Moment nun hervorhebe, mögen mir die andern Tutoren verzeihen, kam von Herrn Kohnen.

Es war der Schlusspunkt einer wirklich humorvollen Rede. Er zitierte Walt Withmann. Ihr wisst schon, das berühmte Gedicht, das wir kennen seit wir den Film der Club der toten Dichter mit Robin Williams gesehen haben:

O Kapitän, mein Kapitän! Die grause Fahrt ist aus,……..

Die Reaktion war überwältigend. Wie in der berühmten Filmszene erhoben sich die Schüler und stellten sich auf die Stühle. Vermutlich hätte ich die Tränen in den Augen einiger sehen können, aber irgendwie war auch mein Blick getrübt. Es war und blieb eine emotionale Veranstaltung.

Ich werde so langsam nervös. Schließlich will ich den entscheidenden Moment nicht verpassen, wo meine Tochter ihr Zeugnis und ihre Kantehrung  erhält. Das Gefühl des Stolzes, obwohl ich nicht allzu viel zum Erfolg beigetragen habe wechselt sich mit den wehmütigen Gefühlen ab. Dann ist alles auf einmal wie im Zeitraffer ganz schnell vorbei und wir stehen auf dem Hof, machen die Fotos, führen kurze Gespräche mit Eltern und Lehren, drücken und beglückwünschen die Kinder und dann  geht es nach Hause.

Etwas später als ich noch mal alleine im Auto sitze wird mir klar, das diesem Abschied von der Schule bald ein weiterer folgen könnte und obwohl ich unheimlich stolz bin, was meine Tochter erreicht hat wird es mir schwer ums Herz und eine tiefe Traurigkeit erfasst mich. Zeit ist relativ, relativ manchmal auch ein Arschloch. So Taschentücher sind alle und der Grill muss noch vorbereitet werden, Schluss mit der Gefühsduselei. Think positive!

uwe , die emotionale Katastrophe, abel